Im Zuge der laufenden Sanierung des Altstadthauses an der Hohengasse 29 in Burgdorf sind Strukturen und Raumausstattungen aus mehr als vier Jahrhunderten zum Vorschein gekommen. Dazu gehören unter anderem bedeutende Reste aufwendiger Wandfassungen aus den 1620er Jahren. Nach teilweiser Freilegung ist vor allem im Ladenlokal wieder gut zu erkennen, dass ursprünglich Grisaille-Bänder Architekturelemente und Flächen rahmten und dabei plastisch hervortretende Gesimse vortäuschten.

Als Besonderheit deckten die Restauratoren an der Nordwand ein Täfelchen auf, das durch seine oxidrote Farbe auffällt. Schattenlinien und die gemalte Öse erzeugen den Eindruck eines vor der Wand hängenden Holzbretts. Darauf erkennt man ein «magisches» Quadrat.

Dieses Motiv war seit dem Mittelalter als Planetensiegel bekannt. Auf Albrecht Dürers Stich «Melencolia I» von 1514 findet sich das wohl berühmteste Beispiel der Kunstgeschichte. Als Wanddekor ist das in Burgdorf gefundene Einzelbild allerdings aussergewöhnlich. Prominent platziert muss das magische Quadrat bereits den Zeitgenossen ins Auge gefallen sein. Doch was wollte der bislang unbekannte Auftraggeber damit aussagen? Verweist das Quadrat allein auf mathematische Kenntnisse oder zumindest auch auf Saturn, als dessen Zeichen das magische Quadrat dritter Ordnung (3 x 3 Felder) galt? Die bis ins 18. Jahrhundert verbreitete Vorstellung eines direkten Einflusses der Himmelskörper auf das irdische Leben sah diesen Planeten für die Ausbildung des melancholischen Temperaments verantwortlich. Während ältere Darstellungen vor allem die sozial untergeordnete oder randständige Stellung der «Kinder des Saturn» betonten, richtete sich der Fokus seit der Zeit um 1500 verstärkt auf positive Aspekte der Melancholie. Neben der Zuschreibung besonderer intellektueller Fähigkeiten konnte sich die Neubewertung auch in einer Verbindung des Planeten mit Werten wie Fleiss, Ordnung und Disziplin ausdrücken. Vor diesem Hintergrund erscheint es zumindest denkbar, dass wir es hier mit der Selbstdarstellung eines Melancholikers zu tun haben.

Dieser Bericht ist im Magazin «Fachwerk» der Denkmalpflege des Kantons Bern 2021 erschienen. © Denkmalpflege des Kantons Bern