Goldene Zeiten für das Kunsthandwerk
25. März 2023 | Sammlung
Trudi Aeschlimann, Sammlungsverantwortliche des Rittersaalvereins
Zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges, als in der kriegsverschonten Eidgenossenschaft Handel und Kunsthandwerk blühten, durfte der Burgdorfer Goldschmied Hans Trachsel der Jüngere 1642 einen Satz von vier oder mehr vergoldeten Silberbechern für den auf Schloss Burgdorf amtierenden Schultheissen Albrecht Manuel und seine Gattin anfertigen.
Eines dieser kostbaren Trinkgefässe gelangte 2021 zurück nach Burgdorf, denn der Rittersaalverein konnte das oberste Stück des Satzes – einen 224 Gramm schweren und total 12,2 cm hohen Silberbecher mit Deckel – von Antiquitätenhändler Martin Kiener in Zürich erwerben. Weitere Becher aus diesem im Jahr 1642 in Burgdorf hergestellten Satz befinden sich heute in schweizerischen Privatsammlungen und andern Museen.
Der Berner Patrizier Albrecht Manuel (1611-1650), der von 1640 bis 1646 als von Bern eingesetzter Schultheiss in Burgdorf wirkte, und seine Gattin Catharina von Bonstetten (1615-1678) hatten zahlreiche Nachkommen. Die Tochter Anna Rosina Manuel heiratete 1669 Anton Lombach und brachte damals wohl «unseren» Deckelbecher in die Familie Lombach, deren Wappen später zusätzlich auf dem Becherboden eingraviert wurde.
Als erfolgreicher Unternehmer war Gold- und Kupferschmied Hans Trachsel der Jüngere nicht nur für regionale Auftraggeber tätig, sondern auch für stadtbernische und lieferte seine Produkte sogar ins Neuenburgische.
Während seiner Schultheissenamtszeit 1640-1646 stiftete Albrecht Manuel einen silbervergoldeten Abendmahlkelch in die Stadtkirche Burgdorf, wie dies bereits sein Vorgänger als Schultheiss 1628-1634, Abraham Bitzius, getan hatte. Da die Kelche Geschenke der zwei Amtmänner waren, tragen sie weder Meistermarke noch Beschauzeichen, denn solche Kennzeichnungen waren vor allem als Nachweis des verwendeten Edelmetalls notwendig. Die eingravierten Initialen AL (als Ligatur) und M für den Kelchstifter Albrecht Manuel gleichen diejenigen auf unserem Becher von 1642, so dass man ebenfalls Goldschmied Hans Trachsel den Jüngeren als Hersteller annehmen darf (Abbildung im Kunstdenkmälerband «Burgdorf» von Jürg Schweizer, Seite 225).
Die Burgerfamilie Trachsel in Burgdorf
Schmied Niklaus Trachsel von Hindelbank wird 1574 in Burgdorf eingeburgert. Sein Sohn Johannes/Hans Trachsel der Ältere (1576-1632), Kupferschmied und Goldschmied, heiratet 1. 1596 Anna Trechsel, Tochter des Burgermeisters Bendicht Trechsel, 2. 1608 Anna Stähli. Er kommt 1609 in den städtischen Kleinrat, wirkt als Oberspitalvogt, Grasswilvogt, Schaffner und 1627-1632 als Lotzwilvogt. Der Enkel Johannes/Hans Trachsel der Jüngere (1600-1651), Goldschmied und gelegentlich noch als Kupferschmied tätig, heiratet 1623 Johanna Kläber. Er kommt 1632 in den Kleinrat, wirkt als Kirchmeier, von 1637-1642 als Lotzwilvogt und nachher als Schaffner.
Beim 1638 begonnenen Umbau des Zunftgebäudes am Kirchbühl 22 in Burgdorf ist Hans Trachsel der Jüngere einer der zwei Vorsteher der Zunft zu Schmieden und Zimmerleuten. Sein Wappen und die Initialen H.T. sind am dortigen Treppenturm zu sehen. Der Rittersaalverein besitzt einen von Hans Trachsel dem Jüngeren angefertigten grossen Wasserkessel aus Kupfer.
Laut Chronist Johann Rudolf Aeschlimann liess die Stadt Burgdorf um 1638 bei Goldschmied Johannes Trachsel Gussformen für silberne Katechismuspfennige herstellen. Beim Oberstadtbrand 1706 verbrannten die Formen oder Model dazu im Haus der Familie Trachsel an der Schmiedengasse 2. In der Sammlung des Rittersaalvereins befinden sich etliche Exemplare dieser gegossenen Katechismuspfennige (Schulprämien)
Fenster- oder Scheibenstiftungen
Im Bernbiet war es einst Brauch, dass Gebäudebesitzer anlässlich eines Neu- oder Umbaus ihres Hauses von Freunden und Behörden mit einem «Fenster», d.h. Scheiben mit Glasgemälden für die Fenster, beschenkt wurden. Auf diesen aufwendig gestalteten Scheiben liessen sich dabei meistens die Schenker mit Wappen, Funktion und verschiedenen Symbolen darstellen.
Meine Quellenrecherchen im Burgerarchiv haben ergeben, dass Goldschmied Hans Trachsel der Jüngere um 1642 sein Haus an der Schmiedengasse 2 in Burgdorf neu baute oder einen grösseren Umbau vornahm. Gemäss Eintrag in der Burgermeisteramtsrechnung pro 1643 hat die Stadt Burgdorf ihrem alt Vogt Trachsel «ein Pfenster sampt dem Wapen vereret» und dafür rund 7 Kronen ausgegeben.
Die Gemeinde Lotzwil schenkte ihrem Lotzwilvogt Johannes Trachsel 1642 zum Abschied ebenfalls eine Kabinettscheibe «in syn Huss». Ausnahmsweise wurden hier nicht nur die Schenkerin sondern auch der Beschenkte und der Zweck des Geschenks genannt. Diese Scheibe befindet sich heute in Brüssel, Musées Royaux d’Art et d’Histoire (Inv. I.A.881). Siehe Abbildung im Burgdorfer Jahrbuch 2019, Seite 45, im Beitrag des Kunsthistorikers Rolf Hasler über Gerechtigkeitsbilder des 17. Jahrhunderts aus dem Raum Burgdorf.
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts waren in Burgdorf mehrere Glasmaler tätig. Doch es ist sehr schwierig, vorhandene Kabinettscheiben einem bestimmten Kunsthandwerker zuzuschreiben. Es handelte sich dabei um Auftragswerke und nicht um freie Schöpfungen von Künstlern oder Kunsthandwerkern.
1980 konnte der Rittersaalverein bei einer Auktion der Galerie Jürg Stuker zwei Kabinettscheiben aus altem Berner Besitz ersteigern. Darunter die sehr gut erhaltene Scheibe von «Jr. Albrecht Manuel, der Zyt Schultheis zu Burgdorff. Anno 1642» (RS-4.1378). Gut möglich, dass diese Scheibe mit Darstellung des Vollwappens Manuel und von weiblichen Allegorien in den Bildecken einst ebenfalls ins Haus des Goldschmiedes Hans Trachsel des Jüngeren gestiftet worden ist.
So oder so: Tatsache bleibt, dass mit Junker Albrecht Manuel und Goldschmied Hans Trachsel dem Jüngeren sich in Burgdorf in den 1640er Jahren die Wege von zwei Menschen mit einem hohen Kunstverständnis gekreuzt haben.